Besuch aus Kunming

Einige unserer Gründungsmitglieder waren dort mehrmals zu Besuch. Yunnan liegt im Südwesten Chinas und hat Grenzen zu Myanmar, Laos, Vietnam sowie Tibet, und zu den Provinzen Sichuan, Guizhou und  Guangxi.

Als unser Verein noch in den Startlöchern steckte, hatten wir bereits Kontakte in die chinesische Provinz Yunnan, in deren Hauptstadt Kunming.

Eine der großen Touristenattraktionen ist Shilin, der Steinwald im Südosten von Kunming, außerdem die Städte DaLi, Shangria und Lijiang. Doch in den Touristenzentren und selbst in Kunming haben wir nur wenige westliche Besucher gesehen.

Shiling - Steinwald
Shiling – Steinwald – Foto: A. Worst

Wir lernten damals die Direktoren einer privaten Schule für Kunst und Musik kennen, Yi Chuan She Kunstschule. Dabei erfuhren wir, dass das Interesse an westlicher Kunst und Kultur sehr groß ist, doch nur wenig davon dringt bis nach Yunnan durch. Wir haben zum Beispiel Vorträge über die europäische Oper an der privaten Yi Chuan She Kunstschule gehalten.

Daraufhin wurde die Idee geboren, den Kunst- und Kulturaustausch gerade mit der chinesischen Provinz zu befördern. Menschen aus Orten außerhalb der großen chinesischen Metropolen die Möglichkeit zu geben, an deutscher Kunst und Kultur teilhaben zu lassen und deutsche Kunst und Kultur in die westlichen Metropolen zu bringen. Wir möchten in Zukunft Künstler und Musiker aus der chinesischen Provinz zu uns einladen, und deutsche Künstler und Musiker in die chinesische Provinz vermitteln.

Wir haben uns sehr gefreut, als einige der Schüler der Yi Chuan She Schule aus Kunming Interesse daran bekundeten, nach Deutschland zu reisen. Keine einfache Touristenreise, sondern eine Kunst- und Kulturreise, wie sie nur wenige chinesische Touristengruppen bisher erleben durften.

Die Reise ging vom 22. 7. bis zum  4. 8. 2018. Es waren 11 Kinder im Alter von 2 bis 14 dabei und 11 Erwachsene, Lehrer und Begleitpersonen.

Es begann in Berlin. Natürlich war eine Stadtrundfahrt mit der weißen Flotte dabei, die Nofretete stand auf dem Programm und der Berliner Dom.

Aber auch: das Weinmeisterhaus in Berlin Mitte.

Unsere“ chinesische Kinder vor dem Weinmeisterhaus
Unsere“ chinesische Kinder vor dem Weinmeisterhaus – Foto: Feng Hua

Hier konnten die chinesischen Kinder zusammen mit deutschen Kindern einen ganzen Tag lang malen, musizieren, spielen.

Papierarbeit im Weinmeisterhaus
Papierarbeit im Weinmeisterhaus – Foto: Feng Hua
Gemeinsames Musizieren im Weinmeisterhaus
Gemeinsames Musizieren im Weinmeisterhaus – Foto: Feng Gang

Ein ganz besonderes Erlebnis war der Rundgang in Berlins historischer Mitte mit der Historiker Marcus Dohnicht, der den Kindern auch seinen Arbeitsplatz, die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, und dann die Humboldt-Universität vorstellte.

Mit Marcus Dohnicht Unter den Linden
An der Neuen Wache Unter den Linden

Marcus Dohnicht erzählte auf dem Bebelplatz eindrucksvoll von der Nacht der Bücherverbrennung  am 10. Mai 1933, wo in Deutschland damit begonnen wurde, wertvolle Kulturgüter zu zerstören. Die Chinesen kennen dies auch aus der eigenen Geschichte. Während der Kulturrevolution sind in China Millionen von kulturell und historisch wertvollen Gebäuden, Kunstwerken und Denkmälern zerstört worden.

Beeindruckend war auch ein Besuch im Museum am Checkpoint Charlie. Dort erfuhren die Besucher aus Kunming die Geschichte der „Frau vom Checkpoint Charlie“, Jutta Fleck, und ihrer Töchter. Jutta Fleck wollte mit ihren beiden Töchtern aus der DDR fliehen. Ihr Plan wurde verraten, Jutta Fleck kam ins Frauengefängnis Hohenschönhausen, die beiden Mädchen für eine Zeitlang ins Kinderheim. Die Mutter setzte sich jahrelang dafür ein, ihre Kinder freizubekommen. Sie appellierte an Politiker, reiste zum Papst, zur Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit nach Helsinki, demonstrierte Tag um Tag am Grenzübergang Checkpoint Charlie mit selbstgemachten Plakaten und der Aufforderung: „Gebt mir meine Kinder zurück!“ So viel Engagement und die Presseberichte im Westen machten die DDR-Führung mürbe. 1988 kamen die beiden Töchter aus der DDR frei.

Diese Geschichte wurde für die chinesischen Besucher lebendig in der Gedenkstätte Point Alpha in Geisa, an der ehemaligen innerdeutschen Grenze mit ihrem Ausstellungsgelände und dem Museum. Denn dort warteten Jutta Fleck und ihre Tochter Beate Gallus auf die chinesische Gruppe und erzählten die Geschichte ihrer gescheiterten Flucht und dem glücklichen Ende nach langem und ausdauerndem Kampf für die Freiheit.

Jutta Fleck und ihre Tochter Beate Gallus im Museum Checkpoint Alpha bei einem Vortrag für die chinesische Gruppe der Yi Chuan She Schule
Jutta Fleck und ihre Tochter Beate Gallus im Museum Checkpoint Alpha bei einem Vortrag für die chinesische Gruppe der Yi Chuan She Schule – Foto: Feng Gang
Begegnung mit einer Legende
Begegnung mit einer Legende – Foto: A. Worst
Im „Herzface“ steckt Beate Gallus
Im „Herzface“ steckt Beate Gallus – Foto: A. Worst

Beate Gallus weiß die Kinder in aller Welt zu fesseln mit ihrem Projekt „Herzface“. Beate und ihre Schwester schrieben als Kinder ihrer Mutter jeden Tag einen Brief  ins Gefängnis, mit Durchhalteparolen, Liebesbeweisen und kleinen Zeichnungen. Beate zeichnete als Zehnjährige ein Herz mit einem Gesicht, das „Mutmacherherz“ für ihre Mama. Heute ist daraus ein Projekt geworden. Die Schlagworte heißen „Mut, Liebe, Hoffnung“, die Botschaft, die sie den Kindern bringt: Seid mutig, für eure Ideen einzustehen, gebt die Hoffnung nie auf, dass ihr etwas erreichen könnt, und tut alles mit Liebe, damit es gut gelingen kann. Sie selbst hatte sich als Kind so für die Freiheit ihrer Mama eingesetzt, und für ihre eigene Freiheit. Sie hat nie den Mut und die Hoffnung verloren, und nie die Zuversicht, dass die Liebe Grenzen und Mauern überwinden kann.

Die schönste Belohnung für ihr Engagement bekamen Jutta Fleck und Beate Gallus einige Wochen später aus Kunming. In der Yi Chuan She Kunstschule sollten die Schülerinnen und Schüler Bilder von Menschen malen, die sie besonders beeindruckt haben. Eine Teilnehmerin an unserer Reise malte in der Tat „die Mutter, die an der Berliner Mauer für ihre Kinder demonstrierte“.

Bild einer Schülerin aus Kunming
Bild einer Schülerin aus Kunming – Foto: Feng Gang

Weitere Höhepunkte der Reise waren musikalischer Natur: in Leipzig der Besuch der Bachkirche mit einem Chorkonzert, in Bonn der Besuch des Beethovenmuseums.

Besonders beeindruckend aber war der Besuch der Kölner Andreaskirche. Dort führte der bekannte Organist und Hochschullehrer für Musik- und Liturgiewissenschaft Monsignore Prof. Dr. Wolfgang Bretschneider den chinesischen Besuchern die Orgel vor.

Monsignore Wolfgang Bretschneider mit den chinesischen Musikschülerinnen und –schülern
Monsignore Wolfgang Bretschneider mit den chinesischen Musikschülerinnen und –schülern – Foto: A. Worst

Da es in China nur wenige Orgeln gibt, hatten die Besucher aus Kunming noch nie das Erlebnis, ein so mächtiges Instrument in einer großen Kirche zu hören. Und selbst einmal auf einer großen Orgel zu spielen, hätten sie sich nie träumen lassen.

Chinesische Musikschülerin unter Anleitung von Monsignore Bretschneider

Chinesische Musikschülerin unter Anleitung von Monsignore Bretschneider  an der Orgel der Stankt Andreaskirche zu Köln
Chinesische Musikschülerin unter Anleitung von Monsignore Bretschneider an der Orgel der Stankt Andreaskirche zu Köln – Foto: A. Worst
Die chinesische Gruppe aus Kunming in der St. Andreaskirche zu Köln
Die chinesische Gruppe aus Kunming in der St. Andreaskirche zu Köln – Foto: A. Worst